WIRTSCHAFT und WETTBEWERB
Die geplanten Änderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Rahmen der GWB-Novelle

Die geplanten Änderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Rahmen der GWB-Novelle

Prof. Dr. Björn A. Kuchinke

Prof. Dr. Björn A. Kuchinke
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Ausgangspunkt

Die neunte Novelle des GWB wird seit einiger Zeit diskutiert. Mittlerweile liegen konkretisierte Vorschläge und Einschätzungen vor. Hierzu zählt insbesondere die Stellungnahme des Bunderates aus dem November 2016.

Vorschläge und Begründungen

Mit Blick auf die Stellungnahme des Bundesrates wird deutlich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine noch weitergehende ordnungsrechtliche Sonderstellung erhalten und vor der Anwendung von wettbewerbsrechtlichen Instrumenten geschützt werden soll. Konkret sollen demnach gesetzliche Angebots- und Nachfragepflichten mit dem Ziel der Gewährleistung publizistischer Vielfalt keine marktbeherrschende Stellung mehr begründen können (§ 18 Abs. 8 RegE). Gleichzeitig soll in diesem Zusammenhang nahezu jedwede Art und Form von Kooperation im öffentlich-rechtlichen Rundfunkbereich erlaubt werden (§ 30 Abs. 2c RegE). Die Begründung hierfür erfolgt zum einen wiederum über die Vielfaltssicherung, zum anderen darüber, dass nur über die Gewährung von zusätzlichen Handlungsspielräumen das Gebot der Sparsamkeit bzw. der Wirtschaftlichkeit erreicht werden kann.

Ansatzpunkte ökonomischer Forschung

Die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Begründung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist mittlerweile Jahrzehnte alt. Zunächst ist zusammenfassend zu sehen, dass allgemein sowie ökonomisch die begründete Mehrheitsmeinung vorherrscht, dass publizistische Vielfalt ein wichtiges gesellschaftliches und damit politisches Ziel in einem demokratischen System darstellt. Hinsichtlich der Frage wie dieses Ziel bestmöglich erreicht werden kann, haben Ökonomen Vorschläge entwickelt und diskutiert. Über die Jahre ist eindeutig identifiziert worden, dass ein wirksamer Wettbewerb generell die gesellschaftlich besten Ergebnisse (höchstmögliche Wohlfahrt, Effizienz usw.) bringt. Dies impliziert auch einen effizienten, optimalen Grad an Vielfalt. Außerdem ist klar herausgearbeitet worden, dass die optimalen Ergebnisse nur dann nicht zu Stande kommen, wenn ein (generelles) Marktversagen vorliegt. Genau dann kann über geeignete Maßnahmen nachgedacht werden, wobei jedoch stets die ordnungsökonomischen Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft bzw. die einer rationalen Wirtschaftspolitik (Subsidiaritätsprinzip, Diskriminierungsverbot, fiskalische Äquivalenz usw.) zu berücksichtigen sind.

Status Quo ökonomischer Forschung und Diskussion

Zusammengefasst ist als überragende Mehrheitsmeinung anzusehen, dass ein generelles Marktversagen im Rundfunkbereich nicht zu identifizieren ist. Zu begründen ist aus heutiger Sicht höchstens ein punktuelles Marktversagen. Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk wie er heute vorzufinden ist, ist damit ökonomisch insgesamt nicht zu rechtfertigen.

An dieser Einschätzung ändern auch die jüngsten Veröffentlichungen, wie etwa ein von der ARD in Auftrag gegebenes Gutachten, nichts. Hierbei ist bezeichnend, dass dieses nicht im Volltext öffentlich verfügbar ist, soll doch darin im Ergebnis ökonomisch schlüssig nachgewiesen worden sein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk heutiger Prägung zwingend erforderlich ist. Anhand der aktuell verfügbaren Unterlagen ist weder eine Begründung für diese Behauptung insgesamt nachzuvollziehen noch sind die wenigen Begründungen im Detail ökonomisch haltbar (analoges gilt inhaltlich für ein ZDF-finanziertes Gutachten). Letztendlich handelt es sich damit im Grunde um die Aufwärmung einer aus wettbewerbsökonomischer Sicht längst begraben geglaubten Besonderheiten- oder Rechtfertigungslehre, die immer einen Missbrauch von ökonomischen Theoriebausteinen darstellt, um Wirtschaftsbereiche ungerechtfertigterweise vor Wettbewerb zu schützen und somit die Insiderrenten der Beteiligten zu maximieren (rent seeking).

Schlussfolgerungen

Erstens ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk aktueller Prägung ökonomisch nicht begründbar. Eine wettbewerbsrechtliche Sonderbehandlung ist somit unsinnig. Es ist ökonomisch zweitens nicht zu erkennen, warum die Änderungen notwendig sind, um das Ziel der Vielfaltssicherung zu erreichen. Der Wettbewerb wird nicht gestärkt, sondern ausgebremst. Die Konkurrenten werden schlechter gestellt und es droht ein Ausscheiden aus dem Markt. Dies kann somit drittens zu Nachteilen für die Verbraucher führen, denn die Vielfalt sinkt potenziell. Viertens werden auch andere Ziele durch die diskutierten Vorschläge nicht erreicht. Öffentlich-rechtliche Sendeanstalten könnten auch heute bereits effizient arbeiten. Ökonomisch richtig ist, dass gerade dann, wenn Anbieter dem Wettbewerbsdruck entzogen werden, der Anreiz effizient zu sein massiv abnimmt. Kommissionen, wie etwa die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, können im Übrigen nicht annähernd die Rolle eines wirksamen Wettbewerbs übernehmen. Fünftens ist hinsichtlich der rechtlich diskutierten Problematik der Diskrepanz oder fehlenden Trennschärfe zwischen Kartell- und Rundfunkrecht ökonomisch eine klare Position einzunehmen. Das Problem ist darüber zu lösen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk heutiger Prägung abzuschaffen und das Wettbewerbsrecht vorrangig zu behandeln ist.